Dienstag, 8. Juli 2008

Emanzipation

oder die Frage, warum ich noch Single bin!

Vorweg sei gesagt, dass ich bei meiner Großmutter aufgewachsen bin, quasi als "ihr" sechstes Kind - und ihr Alltag eigentlich nur daraus bestand, von Früh bis Spät unermüdlich zu arbeiten, Haus und Garten zu versorgen, und fünf - mit mir, wie gesagt, sechs - Kinder groß zu ziehen. Lieblos war sie, ist es auch jetzt noch, von einer furchtbaren Kindheit gezeichnet, mit einem ungewollten Kind in die Ehe mit einem Alkoholiker geflüchtet lebt sie auch jetzt noch - oder gerade jetzt, wo sich ihr ganzes Leben doch darstellt als Bestätigung ihrer bindenden Glaubenssätze - in der Überzeugung, absolut nichts wert zu sein. Ihrer Logik zufolge ist auch nichts, was von ihr stammt oder irgendwie mit ihr zu tun hat, jemals "gut genug", egal wofür.
Schließt leider ihre Kinder - und Enkel - mit ein. Dass nur Handwerk oder Ehe ehrbar sind und ich seit Generationen die erste Akademikerin in der Familie bin, stößt bei ihr nicht auf Anerkennung sondern auf völlige Verständnislosigkeit!
(Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Ich achte sie sehr für ihr Schicksal. Sie hat dazu beigetragen, dass ich heute die bin, die ich bin und ich bin für alles dankbar, was ich von ihr bekommen habe.)

In jedem Fall aber: Emanzipation? Fehlanzeige.

Meine Mutter war so "emanzipiert", dass sie nie wieder "in irgendeiner Form je wieder abhängig von einem Mann" sein und sich in ihrer Lebensweise um keinen Preis der Welt einschränken lassen wollte - auch nicht durch die Geburt ihrer Tochter. So wurde ich zu meinen Großeltern geschoben und erlebte meine Mutter zwölf Jahre lang als fremde Frau, zu der ich keinerlei Bezug oder Bindung hatte. Im Grunde lernte ich sie erst kennen, als sie mit meiner Schwester schwanger war und wir in einer eigenen Wohnung "zusammenzogen". Mit dem Vater meiner Schwester lebte sie - obwohl er oft zu Besuch war - dreizehn Jahre lang nicht zusammen, beide hatten getrennte Wohnungen, getrennte Finanzen, getrennte Existenzen, bis sie irgendwann doch heirateten und nun sogar ein Haus gebaut haben. (Allerdings nicht gemeinsam - ER ist alleiniger Bauherr...)
Ein Paradebeispiel für Emanzipation ist diese Story auch nicht, denn was auch immer meine Mutter fast dreißig Jahre lang gelebt hat - Unabhängigkeit war das sicher nicht. Und Kompensation hat mit Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstwert oder Emanzipation in meinen Augen nichts zu tun.

Sicher ist die Tatsache, dass ich eine emanzipierte Frau bin, mitverantwortlich für die Tatsache, dass ich Single bin. Dabei bin ich alles andere als das, was im landläufigen Sinn unter "Emanze" verstanden wird! Gleichberechtigt zu sein bedeutet in meinen Augen nämlich nicht, Karriere zu machen in einem großen Unternehmen, mich in Männerdomänen zu behaupten, Weiblichkeit als Handicap zu betrachten oder die Männer gleich ganz zum Teufel zu wünschen.
Eine WIRKLICH emanzipierte Frau ist in so gutem Kontakt mit sich, dass sie es nicht nötig hat, "ihren Mann zu stehen". Sie muss nicht länger beweisen, dass sie "genauso gut" ist wie ein Mann - oder vielleicht sogar besser, weil sie sich überhaupt nicht an einem Mann misst. Sie hat die Wahl, zu entscheiden, wie sie ihr Leben verbringen will und kann diese Wahl frei von inneren Zwängen treffen.

Ich weiß, dass ich auf eigenen Beinen stehen kann, beruflichen Erfolg haben, für meinen Lebensunterhalt sorgen und Möbel zusammenbauen. (Ich kann sogar eine Ständerbohrmaschine bedienen und eine Kreissäge *lach*) Aber wirklich emanzipiert fühle ich mich erst seit dem Zeitpunkt, an dem ich ganz generell die Verantwortung für mein Leben und auch für meine seelisches Wachstum übernommen und erkannt habe, dass ich nur dadurch unabhängig und frei bin.

Dass durch diese innere Freiheit ein Großteil der Männer als potentielle Partner ausscheidet, ist ein bedauernswerter Nebeneffekt. Die gängigen Beziehungsgründe (Ich kann einfach nicht allein sein; Ich brauche jemand, der meinem Leben einen Sinn gibt; Ich brauche jemand, der mich glücklich macht; Ich will meine Eigenverantwortung abgeben; Ich will für jemand Verantwortung übernehmen; Ich will ein Kind; Ich will einen besonderen gesellschaftlichen Status; Ich will unkompliziert zu Geld kommen etc.) fallen bei mir alle weg. Und erstaunlich wenig Männer finden eine Frau anziehend, von der sie nicht gebraucht werden. Wobei wir wieder bei Selbstwert und Eigenverantwortung wären und sich der Kreis wieder schließt.

Im Grunde ist es wie beim Paartanz:
Ob die Frau die Schritte beherrscht, ist völlig nebensächlich - wenn der Mann Selbstbewusstsein, Entschlossenheit, Umsicht und Klarheit besitzt und so gut "führen" kann, und die Frau die Größe, das Selbstbewusstsein und genug Vertrauen (in sich UND IHN) hat um sich führen zu lassen, wenn sie emanzipiert genug ist, um sich wirklich und frei hinzugeben, dann klappt das Zusammenspiel auf dem Parkett problemlos.
alex_blue - 15. Aug, 14:59

Hallo, bin grad zufällig hier vorbeigekommen.

Mir gefällt Dein Text sehr gut. Ich sehe das ganz ähnlich.

Allerdings habe ich jetzt nicht unbedingt die Erfahrung gemacht, daß es wenige Männer gibt, die mit einer emanzipierten Partnerin leben möchten. Das hat bei mir eigentlich immer ganz gut geklappt, und mein jetziger Partner sieht das genau wie ich.

Ob ich mich von dem "Ihren Mann stehen" gelöst habe, weiß ich nicht so. Ich arbeite in einer Männerdomäne (IT), für mich ist es völlig normal, in reinen Männerteams die einzige Frau zu sein. Bis auf ganz wenige Ausnahmen habe ich keine schlechten Erfahrungen machen müssen bzgl. Diskriminierung. Das man in dem Umfeld aber "seinen Mann" stehen muß, bringt wohl die ganze Situation mit sich. Ich selbst empfinde keinen spezifischen Konkurrenzkampf gegenüber den Männern (manche Koleginnen sind da schon schlimmer...).

PS Als langjährige Tänzerin kann ich Deinen Passus über den Paartanz absolut unterschreiben :-)

kretakahlo - 13. Sep, 11:31

Danke für deinen Kommentar! Und: Schön zu hören, dass es auch Männer gibt, die sehr gern mit einer emanzipierten Frau leben wollen! Für mich gab es vor zwei Wochen ein Schlüsselerlebnis dazu, denn mir wurde klar, wie sehr ich selbst mit einem Glaubenssatz besetzt war, der schon seit Generationen ausgesprochen wie unausgesprochen durch die Frauen meiner Familie gereicht wird - und natürlich auch mit der entsprechenden Haltung: "Das schaffen wir auch ohne Mann!"
Da schwingt viel mit, viel Stärke, viel Mut, aber auch viel Abwertung des anderen Geschlechts. Mich hat dieser Glaubenssatz über jahrzehnte vor dem ganz großen Schmerz geschützt, weil ich es tatsächlich ohne Mann, ohne Vater schaffen musste - und auch geschafft habe. Nur wird mir plötzlich klar, dass sich kein Mann finden wird, der sich freiwillig neben eine Frau stellt, die diese Haltung an den Tag legt - daher wohl meine Fehleinschätzung, dass nur wenige Männer mit einer emanzipierten Frau leben wollen! Sehr gern nehme ich meine Verallgemeinerung zurück, nehme gern meinen Anteil daran, dass die Männer nicht mit mir leben wollen. In einer sehr bewegenden und tiefen Sitzung konnte ich mich von diesem Glaubenssatz, von dieser blockierenden, geringschätzigen Haltung lösen und fühle mich seither... nun ja... stark und sanft zugleich... WIRKLICH emanzipiert eben ;-) Und entdecke auch, dass du Recht hast: Es gibt genug Männer, die damit leben wollen!!! Und dabei reicht mir einer ;-)

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